Autor: eClever
Donnerstag, 20. April 2023
Das Wichtigste von der Auto Shanghai 2023. Oder: Was passiert, wenn der gute Name plötzlich nicht mehr als Verkaufsargument ausreicht?
Ein stilisiertes Panorama-Foto der chinesischen Metropole Shanghai

Die Auto Shanghai: endlich findet sie wieder statt. Viele Automobilhersteller haben der Messe erwartungsvoll entgegengefiebert. VW stellte mit dem ID.7 eine neue Elektro-Limousine vor, BMW wartete mit dem i7 und dem neuen SUV-Flaggschiff iX1 auf und Mercedes zeigte eine vollelektrische Variante seiner Luxusmarke Maybach. Ihnen gegenüber standen zahlreiche chinesische Marken, die mit ihren neuesten Modellen vorfuhren, darunter BYD, Nio, SAIC, GAC und Great Wall Motor.

Jedes 4. in China verkaufte Auto ist ein Elektroauto

China ist einer der wichtigsten Absatzmärkte für die deutsche Automobilindustrie. Ausgerechnet hier wird es – daran besteht kein Zweifel – in Zukunft große Herausforderungen geben. Das gilt jedoch nicht nur für BMW, VW und Mercedes; auch koreanische Marken wie Hyundai tun sich schwer. Es sind einheimische Marken, die in China das Rennen machen. 25 Prozent der in China verkauften Fahrzeuge sind Elektroautos.

„Saubere“ Mobilität in China?

Verbrenner-Verbote sind in China eigentlich noch gar nicht geplant. Etwaige Klimaziele liegen noch viel weiter in der Zukunft als bei uns in Europa. Trotzdem ist die Elektromobilität in der Volksrepublik auf dem Vormarsch. In großen Städten müssen Autofahrer mittlerweile viel Geld bezahlen, wenn sie einen Verbrenner neu zulassen wollen. Für Elektrofahrzeuge ist das hingegen fast kostenlos.

Auto Shanghai: Klarer Kurs Richtung Verbrenner-Aus

Große Namen wie SAIC, BYD und Great Wall haben Marken und Modelle mit verschiedenen Ausrichtungen geschaffen. Die chinesischen Elektroautos kommen mit tollen Designs und modernster Technik daher – kaum ein Hersteller versucht noch, mit Verbrennungsmotoren zu punkten. Gleichzeitig wird die Kundschaft, auf die auch deutsche Unternehmen abzielen, immer jünger.

Ihnen geht es nicht um Tradition oder große Namen: Gefragt sind perfekte Vernetzung, Gestensteuerung, Gesichtserkennung, Bedienung per Spracheingabe inklusive künstlicher Intelligenz und selbstverständlich große Displays. Das bieten auch die chinesischen Marken – und das zu vergleichsweise günstigen Preisen.

Auto-Shanghai-2023-Überblick Abb. 1: wallstreetwindow.com

Enorme Preisunterschiede bei Elektrofahrzeugen – hier hat China die Nase vorn

Trotz der steigenden Zahl an Modellen kostet ein Elektroauto hierzulande immer noch sehr viel Geld. In China wiederum können sich schon viele Haushalte eines leisten. Mittlerweile gibt es immer mehr Leistung und Funktionen für immer weniger Geld. Die chinesischen Marken sind schnell und experimentierfreudig: Im Vergleich dazu sind unsere Automobilhersteller mit ihren sechs- bis achtjährigen Modellzyklen relativ träge.

Hinzu kommen die hohen Unterschiede bei den Produktionskosten: In der Volksrepublik kann ein Elektrofahrzeug im Schnitt 10.000 Euro günstiger produziert werden. Das liegt vor allem daran, dass China die gesamte Wertschöpfungskette selbst besetzt: von den Rohstoffen über die Akkumulatoren bis hin zur Konstruktion. Europäische Marken sind jedoch von diversen Zulieferern abhängig: Logistik und Lieferengpässe wirken sich enorm auf die Preise aus. Hinzu kommen die Kosten für Material, Energie und Arbeitskräfte – die bei uns mitunter deutlich höher sind .

Schlechte Nachrichten für unsere Automobilhersteller, gute Nachrichten für Verbraucher

Die Zeiten, in ein neues Elektroauto Unsummen kostet, könnten bald der Vergangenheit angehören. Das zeigt uns die ebenfalls kürzlich vorgestellte Natrium-Ionen-Technologie: Statt Lithium greift man bei der Akku-Herstellung nämlich auf Natrium zurück. Das ist leichter zu beschaffen, da es anders als Lithium keine Mangelware ist. Und: Natrium gibt es überall auf der Welt. Ein Teil der teuren und instabilen Lieferketten würde also wegbrechen. Und da die Batterie nun einmal der größte Kostenpunkt beim Elektroauto ist, dürfte sich das sehr günstig auf die künftige Preisgestaltung auswirken.

Schätzungen zufolge könnten die preiswerte Elektroauto-Modelle schon ab umgerechnet 10.000 Euro angeboten werden – zumindest auf dem chinesischen Markt. Wenn sich die Natrium-Ionen-Technologie durchsetzen sollte, ist das Elektroauto endlich auch für eine breitere Masse erschwinglich. So könnten deutlich mehr Haushalte in Erwägung ziehen, auf Elektromobilität umzusteigen. Wir sind sehr gespannt, wie sich das in Zukunft entwickeln wird.

Unser Fazit zur Auto Shanghai 2023

Wenn uns die Auto Shanghai 2023 eines gezeigt hat, dann dass chinesische Hersteller unsere Marken nicht länger kopieren. Im Gegenteil: Sie sind gerade im Begriff uns zu überflügeln. Der technologische Vorsprung von Verbrennerfahrzeugen ist bei der immer größer werdenden Zahl an Elektromodellen kaum noch vorhanden. Wo immer es einen hohen Wettbewerb gibt, muss es auch rasante Entwicklungsfortschritte geben – das haben wir schon am Beispiel der Formel E gelernt.

Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass einige chinesische Fahrzeugdesigns durchaus von europäischen Modellen „inspiriert“ sein könnten. Dennoch: Unsere Hersteller haben einiges aufzuholen. In der Volksrepublik haben sich Optik und Leistung von E-Autos stark gewandelt. Und nicht nur das: Auch im Inneren hat sich qualitativ viel getan. Das Elektroauto ist in China zu einem Lifestyle-Produkt geworden, zu einer digitalen Schnittstelle zwischen Beruf und Privatleben.

Einen schwachen Trost gibt es für unsere Hersteller: Einige chinesische Marken werden wohl vorerst nicht nach Europa expandieren. Andere haben jedoch schon angekündigt, ihre Empfänger auf uns auszurichten – darunter Geely, Nio, Zeekr und Great Wall.


Titelbild: canva.com

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